Skriptum 6: Die Zukunft der Biodiversität

In den vorherigen Kapiteln habt ihr erfahren, was Biodiversität bedeutet, welchen enormen Wert sie für uns hat und wodurch sie gefährdet ist. Darüber hinaus haben wir die Zusammenhänge zwischen dem Verlust der biologischen Vielfalt und dem Klimawandel erläutert und auch, welche Bedeutung die Biodiversität im Wald hat und welche Rolle eine nachhaltige Waldbewirtschaftung spielt. Im letzten Kapitel soll es nun darum gehen, was jeder von uns tun kann, um die Biodiversität zu schützen und zu fördern, im Wald, genauso wie im Alltag.

Um Waldbränden vorzubeugen, sollte im Wald nicht geraucht werden.

Der Klimawandel und die voranschreitende Verringerung der Artenvielfalt sind die beiden größten globalen Herausforderungen. Auch wenn die ausgestoßenen Klimagase noch lange in der Atmosphäre bleiben, können wir noch gegensteuern und  die Folgen beeinflussen. Ist eine Art jedoch erstmal ausgestorben, ist sie unwiederbringlich verschwunden. Fakt ist, überall auf der Welt geht die Biodiversität zurück. Ausschlaggebend dafür sind vor allem eine veränderte Landnutzung und die Ausbeutung der Ökosysteme. Wir entziehen dem Planeten mehr Ressourcen als in erforderlicher Zeit nachwachsen können und bringen die Erde damit so sehr aus dem Gleichgewicht, dass die Wissenschaft bereits von einer neuen geologischen Epoche spricht: dem Zeitalter des Menschen (Anthropozän). Durch Raubbau, Monokulturen, Urbanisierung, Umweltverschmutzung, Jagd, Überfischung und die Einschleppung invasiver Spezies verringern wir jedoch nicht nur die Vielfalt an Arten auf der Erde, sondern zerstören auch die natürlichen Ökosystemleistungen. Die Natur liefert uns Lebensmittel, Baustoffe und Arzneimittel, sorgt für saubere Luft, reguliert das Klima und bietet Raum für Erholung. All diese Mechanismen stehen uns völlig kostenlos zur Verfügung und sind für unsere Gesundheit und das Leben auf diesem Planeten unerlässlich. Doch was können wir tun, um das Artensterben auf der Erde aufzuhalten und gibt es überhaupt noch Hoffnung? Wie können wir die gesellschaftlichen Entwicklungsziele mit dem Erhalt von Ökosystemen und Artenvielfalt in Einklang bringen und wer gestaltet eigentlich die Zukunft der Biodiversität?

Wichtig sind zum einen die globalen und nationalen, rechtsverbindlichen Strategien und gemeinschaftlichen Ziele zur Wiederherstellung der natürlichen Vielfalt. Die Vision der Vereinten Nationen zur  Zukunft der Biodiversität im Jahr 2050 lautet: “Bis zum Jahr 2050 wird die biologische Vielfalt geschätzt, erhalten, wiederhergestellt und weise genutzt, um die Ökosystemleistungen zu erhalten und die Gesundheit des  Planeten zu wahren und allen Menschen in gleichberechtigter Weise wesentliche Vorteile zu bringen”. Die Verantwortung kann jedoch nicht allein bei Regierungen, Forschungseinrichtungen oder nationalen Nichtregierungsorganisationen liegen. Wir benötigen ein Umdenken der gesamten Gesellschaft und eine Veränderung der Wahrnehmung und Steigerung der Wertschätzung der Biodiversität. Jeder von uns kann durch sein Handeln im Alltag einen wichtigen Beitrag leisten.

Ein entscheidender Faktor in diesem Zusammenhang sind unsere Lebensgewohnheiten und die permanente Nachfrage nach günstigen Lebensmitteln, Seefisch, Kleidung, Kosmetik und Elektronik, in Verbindung mit weltweit steigenden Bevölkerungszahlen. Durch die Einfuhr von Rohstoffen wie Baumwolle, Soja und Palmöl gefährden wir dabei nicht nur heimische Lebensräume, sondern auch die Lebensräume der Herkunftsländer. Ein wirkungsvoller Schritt zum Schutz der biologischen Vielfalt ist deshalb vor allem ein bewusster und nachhaltiger Konsum. Wir können, allein durch unsere Kaufkraft, entscheidend Einfluss auf die Entwicklung des globalen Handels nehmen und regionale Märkte stärken.

Eine Möglichkeit direkten Einfluss auf die Entwicklung der Biodiversität zu nehmen ist der eigene Garten. Je vielfältiger und abwechslungsreicher unser Garten oder Balkon gestaltet ist, desto mehr Arten können sich dort etablieren. Ein naturnaher Garten ist ein Mosaik aus verschiedenen Strukturen wie Blumenwiesen für Insekten, Hecken für Singvögel, Steinmauern für Eidechsen und andere Reptilien und Nassbereiche für Amphibien (Frösche, Kröten und Molche) und zahlreiche andere Wasserorganismen.  Auch selbstgebaute Nisthilfen für Wildbienen und andere Wildtiere helfen dabei die Vielfalt und Anzahl an Arten zu erhören.

Zum Schutz des Klimas und damit auch der Biodiversität gilt es außerdem die eigene Mobilität zu hinterfragen. Die Wahl unseres Verkehrsmittels hat direkten Einfluss auf die Größe unserer CO2 Bilanz. Wann immer möglich, sollten wir deshalb öffentliche Verkehrsmittel nutzen und kurze Strecken auch mal mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückzulegen. Das tut nicht nur der Umwelt, sondern auch unserer Gesundheit gut. Ein starker Partner kann helfen, einen indirekten Beitrag zur Förderung der Biodiversität zu leisten. Indem wir unser Geld beispielweise bei einer Ökobank anlegen oder unseren Strom über einen Ökostromanbieter beziehen, fördern wir Projekte zum Schutz der Biodiversität. Wichtig ist es außerdem, informiert zu bleiben, sich mit Freund*innen, Nachbar*innen und Arbeitskolleg*innen auszutauschen oder sich in Vereinen, Verbänden und Initiativen zu engagieren.

Baumpieper (Anthus trivialis)
Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum)

Das Wichtigste zum Schutz der Biodiversität im Wald ist der respektvolle Umgang mit der Natur. Für uns Menschen ist der Wald ein Ort zur Erholung. Wir nutzen ihn, um Ruhe zu finden, um uns zu bewegen und grundsätzlich hat jeder von uns das Recht, den Wald zu diesem Zweck ungehindert zu betreten und sich dort aufzuhalten (§33 ForstG). Wenn wir den Wald für Freizeitaktivitäten nutzen, sollten wir uns jedoch stets bewusst machen, dass es sich um ein empfindliches Ökosystem handelt, gegenüber dem wir uns respektvoll verhalten müssen. Dazu gehört zum Beispiel nicht mit dem Auto durch den Wald zu fahren. Wer im Wald spaziert, sollte die befestigten Wege nicht verlassen, um Bäume, seltene Pflanzen oder Pilze nicht zu beschädigen und bodenbrütende Arten wie den Baumpieper (Anthus trivialis) oder die Waldschnepfe (Scolopax rusticola) nicht zu gefährden. Insbesondere während der Brut- und Setzzeit, von März bis Juni, müssen wir als Waldbesucher aufmerksam sein und die Schlaf- und Aufzuchtstätten von Wildtieren meiden. In dieser Zeit werden viele Jungtiere geboren. Wenn wir alleingelassene Jungtiere im Wald entdecken, bedeutet das nicht automatisch, dass sie unsere Hilfe brauchen. Bei Rehkitzen und jungen Hasen ist es ganz natürlich, dass die Mutter ihren Nachwuchs nur 1-2 Mal pro Tag aufsucht, um sie zu säugen. Den Rest der Zeit hält sie sich bewusst fern, damit sie durch ihren Eigengeruch keine Fressfeinde anlockt. Als Waldbesucher*innen sollten wir Fundtiere daher keinesfalls berühren oder gar mitnehmen. Die Rettungsversuche sind zwar gut gemeint, bedeutet für das Tier aber viel Stress und können dazu führen, dass die Elterntiere nicht zurückkommen. In derartigen Fällen ist es besser, das vermeintlich hilflose Jungtier aus weiter Entfernung zu beobachten. Oftmals ist das Alttier unmittelbar in der Nähe. Hundebesitzer sollten ihren Hund innerhalb der Brut- und Setzzeit unbedingt an einer Lauf- oder Schleppleine führen. In manchen Bundesländern besteht sogar eine ganzjährige Leinenpflicht im Wald. Was zu tun ist, wenn man im Wald ein verletztes Tier findet, regelt das Jagdgesetz, zumindest für alle jagdbaren Arten wie Rehe, Rotwild, Wildschweine, Hasen, Kaninchen, Füchse, Fasane und Enten. Demnach sollte der bzw. die für den Bezirk zuständige Jagdausübungsberechtigte oder die Polizei informiert werden. Für alle Arten, die nicht dem Jagdgesetz unterliegen, besteht keine Meldepflicht. Es empfiehlt sich trotzdem einen Experten bzw. eine Expertin zu kontaktieren, zum Beispiel einen Tierarzt bzw. eine Tierärztin oder eine Tierauffangstation. Die gesetzliche Grundlage für jene Arten bildet das Tierschutzgesetz. Dieses besagt, dass auch bei Hilfeleistungen für Tiere eventuell entstehende Leiden, das Hervorrufen von Angst oder andere Schäden vermieden werden müssen. Das Einfangen, Halten und Töten ist auch bei verletzten Tieren grundsätzlich nicht erlaubt.

Hunde während der Brut- und Setzzeit bitte nicht ableinen!

Doch nicht nur im Frühjahr ist die Beunruhigung von Wild für die Tiere lebensgefährlich. Viele Arten, darunter Rehe und Rotwild, fahren ihre Aktivitäten im Winter runter, um Energie zu sparen. Sie reduzieren ihre Körpertemperatur und den Herzschlag, verlangsamen die Atmung und den Puls und auch die inneren Organe – Leber, Niere, Verdauungstrakt und sogar das Herz – verkleinern sich. Wenn die Tiere im Winter aufgescheucht werden, müssen sie ihren Stoffwechsel hochfahren, verbrauchen dadurch Energie und sind dann auf mehr Nahrung angewiesen. Die Nahrungssuche ist im Winter jedoch viel schwieriger als in den warmen Monaten. Wenn wir als Besucher im Wald Grillen oder Picknicken möchten, sollten wir das nur auf ausgewiesenen Plätzen tun und alles Mitgebrachte, Verpackungen und Essensreste anschließend richtig entsorgen. Gleiches gilt für Schutt und Gartenabfälle. Gartenabfälle, die im Wald abgelagert werden, tragen zur Verbreitung von Krankheitserregern bei und bringen den Nährstoffhaushalt aus dem Gleichgewicht. Des Weiteren wird die Ausbreitung invasiver Arten begünstigt, die heimische Arten verdrängen und mitunter auch für Menschen gefährlich sind wie etwa der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum). Die Art ist phototoxisch, verursacht also unter dem Einfluss von Licht bei Berührung schmerzhafte Quaddeln und Blasen auf der Haut. Gartenabfälle sind daher unbedingt auf dem Komposthaufen oder über Entsorgungsunternehmen zu beseitigen. Um Waldbränden vorzubeugen, sollte im Wald nicht geraucht und es sollten auch keine Lagerfeuer gezündet werden. Zum Schutz der Biodiversität, aber auch zu unserer eigenen Sicherheit, sind die Betretungsverbote für empfindliche und besonders geschützte Bereiche im Wald ernst zu nehmen. Diese Flächen sind oftmals ihrer natürlichen Entwicklung überlassen und beherbergen teils seltene und empfindliche Arten. Sie sind reich an Totholz und alten Bäumen und es kann, besonders bei stürmischem Wetter, zu herausbrechenden Kronenteilen und plötzlich umstürzenden Bäumen kommen.

Wir sind nun am Ende des Onlinekurses angekommen. Wir hoffen, der Kurs hat dir gefallen und du konntest ein paar Anregungen und Ideen mitnehmen, wie du dabei helfen kannst, die Biodiversität zu schützen. Jeder von uns kann bereits durch kleine Schritte einen Beitrag leisten und Teil der Veränderung und eine Inspiration für die Menschen in seiner Umgebung sein. So gelingen uns der Umschwung und der Erhalt der Artenvielfalt – auch für künftige Generationen.